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radiofabrik.at präsentiert - Fair Play

Infosendung gewidmet der Nachhaltigkeit

Seit 2008 gestaltet und moderiert der Experte für moderne, sozial nachhaltige Arbeitswelten Christian Holzer einmal im Monat das Format “Fair Play”.

In der einstündigen Sendung plaudert er mit hochrangigen Gästen aus Wirtschaft und Bildung über Zugänge und positive Effekte des sozial nachhaltigen Wirtschaftens. Die Themen Unternehmen als Lebenswelten, CSR und Work-Life-Balance kommen genauso vor, wie Beispiele völlig unüblichen Handelns. Seit Herbst 2014 wird Fair Play als Kooperation von Radiofabrik und Wirtschaftskammer Salzburg produziert: Monatlich erscheint die Fair Play-Ausgabe in Interviewform in der „Salzburger Wirtschaft“.

Interviewer:

 

Chris Holzer: Work-Life-Balance-Experte, systemischer Coach, langjähriger Fair-Play-Moderator, SN-Karriere-Kolumnist
Martin Seibt: Biologe, Medienpädagoge, Lebens- und Sozialberater, personenbezogener Unternehmensberater. Spezialist für Kooperation, Kooperative Führung, Mitarbeiterzufriedenheit.

Gast:

René Hochholdinger, lizenzierter Umdenk-Trainer und Unternehmer (office supplies 24 gmbh, www.office-supplies24.at, mit derzeit 62 Mitarbeiter im In- und Ausland)

 

Heutiges Thema: Digitale Transformation und New Work

Hier zum Nachhören: https://cba.fro.at/497756

 

#31sindgenug: 31 Wochenstunden sind genug – wie setzen Sie das konkret um?

 

René Hochholdinger: Wir haben uns einfach getraut und das Experiment gewagt. Natürlich gibt es anfangs keinerlei Garantien, dass etwas Neues funktioniert. Das haben Sie nie bei einem Experiment. Es ist wie beim Fußballspielen: Sie können kein Tor schießen, ohne zuerst aufs Feld zu laufen. Ein Risiko ist immer dabei, klar.

Meine Vergangenheit hat mich gelehrt, dass nur Bewegung Zufriedenheit erzeugt. Eine gute Portion Mut gehört auch dazu, wenn man neue Dinge wagt. Aber nur so kommt man zu neuen Erkenntnissen: Probieren, lernen, probieren, lernen. Irgendwann läuft die Sache. Deshalb habe ich mich nie gefragt, was ist, wenn das Experiment scheitert, sondern nur, wie ich es zum Laufen bringen kann. Wir waren lösungsfokussiert und -orientiert.

Natürlich war das Risiko groß: Was, wenn 20 % weniger Arbeitszeit auch 20 % weniger Umsatz bedeuten würden? Aber die Chancen haben für mich letztendlich die Risiken überwogen und das Ergebnis hat gezeigt, dass der Versuch sich gelohnt hat. Wir haben uns nie mit anderen verglichen, weil wir wussten, dass uns das nicht besser, sondern nur gleicher macht. Uns war es wichtig zu wissen, wer wir sind, wofür wir stehen und was uns einzigartig macht.

Zudem – wer erstellt die Regeln dafür, wie Arbeit oder Unternehmensführung zu funktionieren haben? Innovationen halten sich selten an akademische Vorgaben. Also haben wir einfach mal gemacht. 31 Wochenstunden bei den gleichen Bezügen wie 38,5 Wochenstunden. Das Ergebnis war: Nicht weniger Umsatz, aber trotzdem höhere Kundenzufriedenheit. Und die Mitarbeiterzufriedenheit stieg drastisch. Wir haben die qualitativen Werte vor das quantitative Wachstum gestellt. Und wir haben letztlich beides erreicht.

 

 

"Digitaler Büroartikelhandel ist nicht sexy", sagt Eigentümer René Hochholdinger. Es sind die Kontakte zu Menschen und die Arbeit mit Mitarbeiter (Menschen), die dieses Geschäft attraktiv machen.

 

René Hochholdinger: Wir leben in Zeiten eines Hyperwettbewerbs. Die Veränderung schleicht nicht, sie ändert sich täglich! Digitalisierung, neue Wettbewerber, veränderte Kundenbedürfnisse, kürzere Produktions- und Lieferzeiten oder neue Geschäftsmodelle machen es immer schwerer, langfristig auf dem Markt zu bestehen und wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Situation war aber bereits vor der Krise so und deshalb haben wir uns schon vor der Krise mit Veränderungsmöglichkeiten befasst.

Bei diesen Gegebenheiten ist es absurd, sich Gewissheit vorzumachen. Experimente und Neuerungen sind zunächst immer unbequem, aber wer immer das gleiche tut, bleibt auch immer der, der er bereits ist. Wir haben an unserer Denk- und Betrachtungsweise angesetzt und diese verändert. Wir wussten, an der Digitalisierung führt kein Weg vorbei, Kundenbedürfnisse muss man genau kennen, um sie zu befriedigen. Eine Chance, uns von Mitbewerbern, die seit 30 Jahren und länger auf dem Markt sind, haben wir nur dann, wenn wir die Dinge anders machen als die anderen.

Hier kam das berüchtigte "Out of the box"-Denken zum Tragen. Wir haben gut funktionierende Abläufe in unsere Prozesse integriert, auch wenn sie aus anderen Branchen stammten. Es braucht Mut, gewisse Glaubenssätze permanent in Frage zu stellen. Es braucht Rückgrat, Neues umzusetzen und seinen Weg unbeirrt zu gehen. Sich nicht ablenken zu lassen von ökonomischen und gesellschaftlichen (Halb-)Wahrheiten. Und es braucht jede Menge Hartnäckigkeit, um dabeizubleiben und durchzuhalten. Sich nicht beim ersten Rücksetzer entmutigen zu lassen.

So kam es, dass wir nicht nur die Digitalisierung vorangetrieben haben, sondern auch das Telefon wiederentdeckt haben. In unserem Onlineshop gilt: Es geht kein Auftrag darüber, den wir nicht reibungslos oder termingerecht ausführen können. Gibt es eine bessere Alternative für den Kunden, rufen wir ihn an und erzählen ihm davon. Bei uns gibt es keine mit künstlicher Intelligenz betriebenen Chatbots, die den Kunden automatisierte Antworten auf ihr Anliegen ausspucken.

Wenn Sie auf externe Berater hören, ist die Liste der Empfehlungen schier unendlich, damit ein Kunde kauft. Alles soll grell und bunt und überladen sein. Man soll glänzen, damit der Kunde zum Kauf motiviert wird. Unser internes Credo ist aber: "Wir müssen aufhören zu glänzen und anfangen zu leuchten." Ein Glänzen bleibt an der Oberfläche und erhellt keinen dunklen Raum. Ein Leuchten kommt aber von innen. Das spüren auch die Kunden.

Der erste Schritt war für uns also zu wissen, was wir machten und wie wir es machten. Damit wir aber ins Leuchten kamen, fehlte uns noch das Warum. Es war für uns selbstverständlich, begünstigend zum Ökosystem beizutragen. Durch kürzere Lieferwege, eine CO2-neutrale Lieferung, ressourcenschonende Produkte oder nahestehende Zulieferer. Mit "nahestehend" meinen wir nicht nur geografisch nah, sondern auch ideologisch nah.

Es ist uns wichtig, dass unsere Zulieferer unsere Gedanken zum Umgang mit Mitarbeitern und Kunden teilen und so auch in ihren Unternehmen umsetzen. Es soll keine Gewinner oder Verlierer entweder auf Seiten der Kunden oder der Zulieferer geben. Vielmehr wünschen wir uns ein gemeinschaftliches Bestreben füreinander da zu sein.

Daran arbeiten wir gerade, indem wir unseren Onlineshop neu aufstellen. Der Kunde soll zunächst gar nicht sehen, was er bei uns alles kaufen kann – was aktuell mehr als 40.000 Büroartikel sind. Er soll vielmehr ein gutes Gefühl dafür bekommen, bei uns zu kaufen, also eine Antwort auf sein Warum finden. Weg von schneller, besser, billiger hin zu Vertrauen, Treue und Verbindlichkeit.

 

 

Digitalisierung: Wie hat die Digitalisierung die Gestaltung der Arbeit verändert?

 

 

René Hochholdinger: Der Begriff Digitalisierung umfasst mehr als die reine Technologie. Die Vernetzung der Kommunikationstechnologien verändert die Art, wie wir leben, arbeiten und wirtschaften. Das führt zu neuen Verhaltensmustern, Lebensstilen und Geschäftsmodellen.

Unternehmen können heutzutage nicht mehr als autonome Einheiten operieren. Es wird immer wichtiger, dass sie sich mit anderen Unternehmen und externen Experten in Kompetenzfragen vernetzen. In der Zukunft ist ein Unternehmen eine Schnittstelle in einem Netzwerk.

Auch Kunden haben ihre Anforderungen geändert. Es wird ihnen zunehmend wichtig, wofür ein Unternehmen steht, dem sie ihr Geld geben. Nimmt das Unternehmen seine soziale Verantwortung wahr? Stellt es einen Mehrwert für die Gesellschaft dar? Welche Ziele verfolgt es – jenseits der reinen Umsatzsteigerung? So ist der Preis auch nicht mehr der entscheidende Faktor für einen Kunden. Für einen komfortablen Service oder eine hochwertige Dienstleistung ist ein Kunde künftig auch bereit, mehr zu zahlen.

Die Herausforderung für Unternehmen liegt darin, die Offline- und Onlinewelt zu einem einheitlichen Kauferlebnis zu verknüpfen. Digitale Shoppingmöglichkeiten sind bequem. Sie erzeugen aber auch höhere Erwartungen an Kundenservice und Logistik. So beschränkt sich die Digitalisierung nicht auf die IT-Abteilung, sondern betrifft das gesamte Unternehmen. Es reicht nicht, nur die Arbeitsweise der Mitarbeiter zu ändern. Es braucht eine neue Unternehmenskultur, die der Digitalisierung gerecht wird.

 

 

Ist Digitalisierung – wenn man nicht aufpasst – ein Verstärker unzulänglicher Unternehmenskultur? Keiner kennt sich aus, kein Feedback, nun erst recht kein Lob mehr, keine Wertschätzung, alles verschanzt sich hinter der Technik…

 

René Hochholdinger: Ist das ein Problem, das erst mit der Digitalisierung aufgetaucht ist, oder gab es hier auch schon davor Verbesserungspotenzial und -bedarf? Die Mittel des Industriezeitalters waren Belohnung im positiven und Bestrafung im negativen Sinne. Mit beiden Mitteln wollte man erreichen, dass die Mitarbeiter etwas taten, was sie aus freiwilligen Stücken heraus nicht getan hätten. Es handelt sich dabei um eine überholte Strategie, die nicht zur Lösung der Probleme des 21. Jahrhunderts geeignet ist. Viele Führungskräfte sind noch im hierarchischen Denken verhaftet, was ihnen jetzt zum Verhängnis wird. Selbst wenn sie mit den besten Absichten für das Unternehmen handeln.

In den seltensten Fällen geben die Mitarbeiter ihren Vorgesetzten ein ehrliches Feedback, obwohl diese es dringend bräuchten. So denken 90 % der Führungskräfte, dass sie einen guten Job machen. Tatsächlich hat jeder dritte Angestellte schon einmal daran gedacht, seinen Job wegen seines Vorgesetzten zu kündigen. Nicht einmal ein Fünftel der Angestellten fühlt sich durch seinen Vorgesetzten motiviert.

Vielen Führungskräften fehlt es an Mut, um die alten Denkweisen gegen neue einzutauschen. Häufig wird ein größerer Fokus auf die Belange der Mitarbeiter den Führungskräften als Schwäche ausgelegt. Selbst die, die sich gerne ändern möchten, wissen nicht, wie ihnen das gelingen kann. Wir kommen aus dem Industriezeitalter, in dem die Maschinen den Takt vorgegeben haben. Die Menschen hatten sich nach den Maschinen zu richten. Den Vorgesetzten oblag es, für reibungslose Abläufe zu sorgen. Das war der klassische autoritäre Führungsstil. Der Chef gab die Anweisungen, der Mitarbeiter führte sie aus. Man fühlte sich dem Unternehmen verpflichtet und klammerte seine privaten Belange während der Arbeitszeit aus.

Die Fleißgesellschaft ist ein Relikt dieser Zeit. Sie ist überholt, auch wenn sie in unseren Köpfen und in unseren Schulen, ja selbst in unserer Kultur noch fortbesteht. Der Führungsstil von heute ist ein Überbleibsel von gestern, der den Anforderungen der Zeit nicht angemessen ist.

Wir befinden uns im Übergang zur Wissensgesellschaft. In dieser neuen Welt zählen Ideen, Kreativität und Innovation. Menschen arbeiten jetzt selbständiger mit einer größeren Eigeninitiative. Sie führen keine Befehle mehr aus, sondern denken selbst mit, geben ihrer Arbeit einen eigenen Sinn und organisieren sich selbständig. Diese neuen Mitarbeiter sollten gewillt sein, Verantwortung zu übernehmen, gerne im Team arbeiten und sogar Spaß an dem haben, was sie tun. So einen Mitarbeiter kann man nicht bezahlen. Das macht nur ein Unternehmen, dem es gut geht.

In unserer Wissensökonomie verdienen wir Geld mit dem Wissen der Menschen. In der GuV eines Unternehmens sollte der Mensch als Vermögen geführt werden. Zumindest aber sollte er diesen Status gedanklich im Unternehmen besitzen und dieses sollte ihn auch entsprechend behandeln.

Es lässt sich abschließend festhalten, dass sich die Technologie meist schneller entwickelt als sich die Unternehmenskultur ändert. Kern der digitalen Transformation sollte deshalb eine zukunftsweisende Führungskultur sein, die Veränderungen ermöglicht, mitgestaltet und belohnt.

 

 

Oder ist es gerade jetzt die Chance, mittels verstärkter Digitalisierung Kulturwandel im Unternehmen herzustellen? Wie?

 

René Hochholdinger: Die Chance gibt es immer, nicht nur jetzt. Die schlechte Nachricht ist: Wir haben keine Wahl. Die gute Nachricht ist: Wir haben keine Wahl. Mutig ist, wer auch in guten Zeiten des Wohlstands die Chance ergreift und Veränderungen durchsetzt und dafür nicht erst bis zur Krise oder bis zum Gesellschaftswandel abwartet. Jetzt ist die richtige Zeit, um Antworten auf die alten Fragen zu finden. Wir befinden uns mitten in einem gewaltigen Verwandlungsprozess. Dadurch müssen wir uns in den unterschiedlichsten Bereichen Veränderungen unterziehen und uns auf das Neue einlassen. Es ist die Zeit, um den Status Quo in Frage zu stellen.

Unternehmen fragen sich in Krisenzeiten zuerst: "Was kann ich jetzt tun?" Sie wollen das Verhalten beeinflussen. Dabei überspringen sie in der Regel die Frage nach der Haltung. Das ist nämlich der unangenehme Teil, wo man über seinen Schatten springen müsste. Denn man möchte zwar nichts an seiner Denkweise oder an seiner Haltung verändern, man möchte aber dennoch gerne andere Ergebnisse erzielen. Dabei wusste bereits Einstein: "Wahnsinn bedeutet, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten."

Viele Unternehmen hoffen offensichtlich, dass sie der heranrollenden Veränderung standhalten können, ohne sich selbst zu verändern. Deshalb gilt gerade jetzt: Drop your tools! Für den Manager von heute bedeutet das, sich von seinem normalen Handwerkszeug zu trennen, das ihn nicht mehr weiterbringt. Planungsrituale, Abstimmungsrituale oder Leistungsbeurteilungsrituale muss man loslassen können, wenn man merkt, dass sie das Unternehmen nicht mehr weiterbringen. Oder noch schlimmer: Dass sie das Unternehmen an den Abgrund steuern. Es ist an der Zeit, den Sprung ins kalte Wasser zu wagen.

Die verstärkte Digitalisierung begünstigt den Kulturwandel in Unternehmen. Somit ist jetzt die beste Zeit dafür, einen hoffentlich nachhaltige Kulturwandel vorzunehmen. Wie schnell und erfolgreich das gehen kann, zeigt uns das letzte Jahr, als in kürzester Zeit vorher nie denkbare Veränderungen durchgesetzt wurden. Seien es Homeoffice, Onlinemeetings oder digitale Weiterbildung – plötzlich ging alles online.

Auch den Arbeitnehmern eröffnen sich neue Chancen. Jeder Arbeitnehmer sollte damit beginnen, unternehmerisch zu denken, sich selbst als Firma mit einem Markennamen und einer Jahresbilanz zu sehen. Nie war es so wichtig, in sich selbst zu investieren und sich selbst gekonnt zu vermarkten. Menschen, die die Zeichen der Zeit erkannt haben, suchen nicht mehr nach dem sicheren Arbeitsplatz. Sie sind einsatzbereit und bilden sich kontinuierlich fort. So werden sie für potentielle Arbeitgeber immer attraktiver. Selbstbestimmung und Verantwortung gehen Hand in Hand. Man ist selbst verantwortlich für das, was man tut und für das, was man unterlässt.

 

 

Thema Führung: Wie schafft man es, dass einem die besten Mitarbeiter mit ihrem Besten folgen? Sogar über Firmen hinaus…

 

René Hochholdinger: Wer heutzutage ein Unternehmen führt, führt Menschen, Wissen und Bewusstsein. Zur Führung von Menschen gibt es bereits Studiengänge und Leadership-Akademien. Wie aber führt man Bewusstsein? Dazu braucht es Vision, Inspiration und Integrität. Diese sollten vom Unternehmen kommen, im besten Fall vom Unternehmer selbst. Viele betrachten diesen Führungsstil als wenig produktiv oder wissen gar nicht, wie das gehen kann.

Eine Führungspersönlichkeit der neuen Zeit muss mächtige Soft Skills mitbringen: Vision, Inspiration (nicht zu verwechseln mit Manipulation), Integrität, Empathie und im besten Fall auch Resilienz. Diese Kombination können nicht viel aufweisen. Die, die es können, sind dafür umso erfolgreicher. Dieses Skills-Set wird benötigt, um Widerspruch einzufordern. Jedem muss klar sein, dass die besten Entscheidungen benötigt werden. Um diese zu finden, müssen auch kritische Meinungen kommuniziert werden.

Auch mit Widerspruch muss eine solche Führungskraft umgehen und ihn akzeptieren können. Nur unter starken Führungskräften können sich starke Mitarbeiter entwickeln und entfalten. Auf die beste Idee kommt es an, nicht auf ihren Ursprung. Das ist nur in einer Erwachsenenkultur möglich, in der alle gefestigt genug sind, um miteinander auf Augenhöhe kommunizieren zu können.

Sie fragen, wie man es schafft, dass einem die besten Mitarbeiter mit ihrem Besten folgen. Warum arbeiten denn die Menschen in einigen Teams perfekt zusammen und warum funktioniert das anderswo nicht? Was ist das Geheimnis guter Teams? Stellen sie nur die Besten ein? Oder liegt es vielmehr an den Unternehmensstrukturen und an der vorherrschenden Struktur, die ausgezeichnet funktionieren und ihre Mitarbeiter leuchten lassen?

Denken wir an eine Fußballmeisterschaft, bei der sich im Laufe der Zeit zeigt, ob eine Mannschaft erfolgreich ist, die ihr Team nur aus Individualisten zusammengestellt hat oder nicht. Und ob es der Trainer schafft, die Individualisten zu einem funktionierenden Team zu formen oder nicht.

Gehen wir davon aus, dass es Unternehmen nur deshalb gibt, weil man manche Aufgaben nur gemeinsam erledigen kann. Nach dieser Definition ist ein Unternehmen ein Ort der Zusammenarbeit. Dann ist diese Zusammenarbeit aber nicht nur eine simple Addition von Einzelleistungen, sondern ein Zusammenspiel aus unterschiedlichen Kenntnissen, Qualifikationen und Erfahrungen, die sich gegenseitig ergänzen. Wer die Prämisse zur besseren Zusammenarbeit im Team konsequent verfolgt, muss sich auch mal von Individualisten trennen, auch wenn diese noch so gut sind.

Auch im Recruiting muss dieser Aspekt Berücksichtigung finden. In Unternehmen gilt, dass eine Ansammlung der besten Leute nicht automatisch dazu führt, dass diese gut zusammenarbeiten und die besten Ergebnisse erzielen. Nicht automatisch wird das erzielt, was am wichtigsten ist, nämlich glückliche und zufriedene Kunden. Deshalb werden Unternehmen nicht automatisch erfolgreich, wenn sie ein Sammelsurium an Koryphäen als Mitarbeiter einstellen. Vielmehr kommt es auf die richtige Verknüpfung von Erfahrungen, Talenten, Charakteren und Temperamenten an. Fachliches Wissen kann man sich aneignen. Es ist aber eine persönliche Haltung, ob man mit anderen in einem Team an einer gemeinsamen Sache arbeiten und seine Leistungen in den Dienst aller stellen möchte.

Möchte man eine andere Kultur in Unternehmen aufrechterhalten, ist das eine Verschwendung von Zeit, Geld, Energie, Kreativität, Lebensfreude und Kraft. Die ganze Organisation leidet darunter. Es gilt also, eine andere Organisation zu schaffen und nicht andere Menschen.

Ein zeitgemäßer Unternehmer muss sein Selbstbild ändern. John F. Kennedy sagte: "Mein Job ist es, Leute zu finden, die alle klüger sind als ich." Der Unternehmer ist nicht mehr der klügste Kopf im ganzen Land, sondern der beste Organisator von hochwertiger Arbeit. Eben die zuvor erwähnten Soft Skills sind von elementarer Bedeutung für einen Unternehmer. Zudem müssen Führungskräfte es schaffen, Macht abzugeben. Das setzt voraus, dass sie vertrauen können. Spätestens an diesem Punkt werden viele unsicher. Aber genau das macht eine Führungskraft heute aus. Sie muss es schaffen, den Menschen eine Zukunftsvision aufzuzeigen und sie zu inspirieren. Sie muss die Mitarbeiter auf dem Weg zum Ziel begleiten und motivieren und dabei allen Widerständen trotzen.

 

 

Berichten Sie über Ihre persönliche Erfahrung mit dem Thema Führung!

 

René Hochholdinger: Ich war einige Jahre Geschäftsführer der österreichischen Niederlassung einer holländischen Holding. Wir erzielten hervorragende Zahlen jedes Jahr, die Zeichen standen auf Wachstum und Mitarbeiterzufriedenheit. Deshalb zitierte man mich nach Hamburg und Rotterdam, damit ich dort den gleichen Erfolg erzielen sollte. Man ging davon aus, dass es meine Managementfähigkeiten wären, die die österreichische Firma so erfolgreich werden ließen. Man verstand nicht, dass es das Leadership, also die Führung der Mitarbeiter war. Das funktioniert ganz einfach nach dem Prinzip: "Kümmere dich um deine Mitarbeiter und der Erfolg kommt von selbst." So, wie man seine Mitarbeiter behandelt, behandeln diese DEINE Kunden. Sie sind das Sprachrohr.

In Rotterdam und Hamburg waren eine hohe Fluktuation und viele Krankenstände der Normalzustand. Damit rechnete man schon, es gehörte dazu. Der Mensch war hier Mittel zum Zweck, nicht mehr. Der PC und der Stuhl eines Mitarbeiters wurden im Anlagevermögen geführt, also dem aktiven Vermögen in der GuV. Der Mitarbeiter selbst war hingegen ein Kostenpunkt in der Rechnung. Tatsächlich ist das die Art und Weise, wie viele Unternehmen ihre Mitarbeiter behandeln. Es verwundert nicht, dass sich die Mitarbeiter dann auch gemäß ihrer Titulierung als "Angestellter" verhalten. In der Früh "AN" und am Abend "AUS", dazwischen passt man auf, dass er nichts anstellt.

An diesen Punkten wird gespart und gedreht. Bei den Zulieferern feilscht man noch wegen ein bis zwei Prozent, selbstverständlich auf Kosten der Qualität und des Service. Dass das Unternehmen aber oft Millionen durch einen falschen Führungsstil einbüßt, will keiner wahrhaben. Zumindest spricht das niemand offen an, es ist ein Tabu.

Schließlich entschied ich mich dazu, das Trauerspiel zu beenden. Ich entschied mich dazu, einen gut dotierten und sicheren Job aufzugeben, weil er mich nicht mehr erfüllte. Weil meine Tätigkeit im Konflikt zu meiner inneren Überzeugung und Weltanschauung stand. Der Schritt fiel mir nicht leicht. Immerhin hatte ich erst kürzlich ein Haus gebaut, das noch nicht abbezahlt war und meine Töchter waren erst 3 und 6 Jahre alt. Ich hatte keine Ahnung, ob ich das Zeug dazu hatte, mich erfolgreich selbständig zu machen.

Als Wochen später die Direktoren der Holding vor der versammelten Belegschaft in Österreich meinen Abgang verkündeten, wusste ich aber, dass das die richtige Entscheidung gewesen war. Eine junge Frau sagte mir vor versammelter Belegschaft mit Tränen in den Augen auf den Kopf zu: "Du Arsch, wie kannst du mir das nur antun!" Da wusste ich, dass es nicht nur die richtige Entscheidung war, sondern dass ich jetzt auch einen Auftrag hatte. Was die Dame meinte, war, dass ich nicht nur das Unternehmen verließ, sondern auch meine Mannschaft im Stich lassen würde.

Viele Mitarbeiter aus der Belegschaft hatten sich mit mir und nicht mit dem Unternehmen identifiziert. In den darauffolgenden Tagen erreichten mich viele Anrufe und Nachrichten. Neben Glückwünschen zu meiner Entscheidung gab es auch Blindbewerbungen. Nachdem ich zu dem damaligen Zeitpunkt selbst noch nicht wusste, was ich machen würde, lautete ein Gesuch: "…und wenn du WC-Brillen verkaufst oder sonst irgendetwas, ganz egal, ich will wieder bei dir arbeiten."

(Und ja, die junge Frau mit den netten Abschiedsworten war eine der Bewerberinnen und arbeitet nach wie vor in meinem Unternehmen.)

 

 

Der Stellenwert von Mentoren im New Work?

 

René Hochholdinger: Zunächst eine generelle Bemerkung zum Thema Mentoren: Lernen hört nie auf. Wir werden nie den Punkt erreichen, an dem wir alles wissen. Heute noch viel weniger als früher. So ist es auch nie an der Zeit, sich auf seinem Erfolg auszuruhen, denn das Lernen geht weiter. Wir müssen weiter beobachten, damit wir am Puls der Zeit bleiben. Nach dem Motto: Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. Sonst kommt irgendwann jemand, der unseren Platz einnimmt. Das gilt für Unternehmen genauso wie für jeden Einzelnen von uns.

Mentoren kommt in der New Work eine Schlüsselstellung zu. Ist es gerade die Generation Y, die die Digitalisierung umsetzt, so wird es anschließend die Generation Z sein, die sie weiter vorantreibt. Das sind die Führungskräfte von morgen. Schon diese beiden Generationen haben völlig verschiedene Vorstellungen von Führung. Der Trend geht Richtung Mentoring. Deshalb muss dieses auch Teil der Unternehmenskultur werden. Das ist nicht das Gleiche wie ein Traineeprogramm, in dem neue Mitarbeiter lernen, wie der Hase läuft und sich daran anzupassen haben.

Die neue Generation möchte nicht nur lernen, wie die Dinge gemacht werden, sondern sie möchte mitbestimmen. Ihre Forderung ist nicht nur "Lehre mich!", sondern auch "Vertraue mir! Nimm mich nicht als selbstverständlich!" Diese Menschen wollen gecoacht und belohnt werden. Vorgesetzte müssen hier als Vorbilder auftreten, die Sinn vermitteln und zu kreativen, innovativen Problemlösungen anregen.

Hier ist noch ein weiter Weg zu gehen. Derzeit wird das Management großenteils als technophobisch und visionslos wahrgenommen, was neue Technologien betrifft. Was Offenheit und Transparenz betrifft, herrscht dringender Verbesserungsbedarf.